1. Einleitung

Das Interesse der Gesellschaft an unserer Umwelt ist in den letzten Jahrzehnten ständig gestiegen. Dieses spiegelt sich nicht nur in den steigenden Medienbeiträgen über dieses Thema wieder, sondern läßt sich auch an den vielen erlassenen Gesetzen und Richtlinien in diesem Bereich ablesen. Dabei stehen meist die Auswirkungen von Pflanzenschutz- und Düngemitteln sowie die Einbringung von Abfall und Abwasser im Mittelpunkt. Eines der zentralen Gesetze ist das Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz - ChemG v. 16. 09. 1980). Grundlage für die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels in Deutschland bildet das Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG v. 15. 09. 1986). Dort steht in §1 einerseits, daß Pflanzen, insbesondere Kulturpflanzen, vor Schadorganismen geschützt werden müssen, und andererseits, daß Gefahren abzuwenden sind, die durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln oder andere Maßnahmen für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Naturhaushalt entstehen können. Im Zulassungsantrag für ein Pflanzenschutzmittel müssen Angaben über chemisch- physikalische Eigenschaften des reinen bzw. technischen Wirkstoffes und des Präparates (Formulierung) gemacht werden. Ferner sind Tests vorgeschrieben, die Auskunft geben über Abbau, Rückstandsverhalten, Metabolismus, Toxikologie und Ökotoxikologie des Pflanzenschutzmittels, deren Ergebnisse bei der Zulassung vorliegen müssen.

Alle Prüfungen haben gemeinsam, daß sie unter reproduzierbaren Laborbedingungen durchgeführt werden und nur die Auswirkungen auf einzelne Organismen testen. Es hat sich gezeigt, daß es sinnvoll ist, herauszufinden wie eine Fremdsubstanz sich auf ökosystemarer Ebene verhält. Wie sie mit anderen vorhandenen Substanzen reagiert, welche Abbauprodukte entstehen, welche Auswirkungen sie in der Nahrungskette hat und welche Langzeitfolgen auftreten können (Risikoabschätzung/Risikoanalyse).

Da aber ein Ökosystem ein sehr komplexes System ist, ist die Erfassung aller Daten nahezu unmöglich. Außerdem ist es sehr schwierig, bei Experimenten in realen Ökosystemen, reproduzierbare Versuchsbedingungen herzustellen. Ein Mittelweg zwischen den einfachen Labortests und Versuchen mit komplexen Ökosystemen ist der Einsatz von Modellökosystemen (Figge und Klahn 1982, Schärer 1983, Heise 1991), die annähernd geschlossene Systeme darstellen, in denen man nachvollziehbare Umweltbedingungen einstellen kann.

Je nach Auswahl der Organismen in einem Modellökosystem und deren Beziehungen zueinander kann ein mehr oder weniger komplexes Testsystem bereitgestellt werden. Die darin auftretenden chemisch-physikalischen-physiologischen Wechselwirkungen sind mathematisch und/oder logisch beschreibbar. Sie führen zum Teil aber zu Gleichungen, die mit den Methoden der klassischen Mathematik, Chemie und Physik nur schwer oder gar nicht handhabbar sind. In den letzten Jahren stehen leistungsstarke Rechnersysteme zur Verfügung, die es ermöglichen, sich mit diesen komplexen Zusammenhängen auseinanderzusetzen. Somit können Modellökosysteme mit Hilfe eines Computers simuliert werden.

Die Simulation eines komplexen Modellökosystems setzt voraus, daß das Verhalten der einzelnen Organismen bekannt ist oder entsprechende Annahmen über die Wechselwirkungen innerhalb eines Systems bestehen. Die Ergebnisse eines entsprechend modellierten Systems können dann eine Annahme bestätigen oder auch deren Unzulänglichkeit zeigen. Somit ist die Computersimulation ein wichtiges Werkzeug für den Naturwissenschaftler geworden. Sie ermöglicht das Testen von Hypothesen, fördert das Verständnis für generelle Zusammenhänge und läßt sich zur Vorhersage von Ereignissen einsetzen. Ihr Einsatzgebiet ist nicht nur die Ökologie, sondern erstreckt sich über den gesamten Bereich der Naturwissenschaft. So wird die Computersimulation erfolgreich in der chemischen Verfahrenstechnik eingesetzt. Hier dient z. B. ein Computermodell des Produktionsprozesses zur Berechnung der optimalen Stellgrößen für die Prozessführung und die geeignete Reaktion auf Störungen. Aber auch in der Biochemie gibt es eine ganze Reihe von Simulationen, die einen entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung ganzer Forchungsbereiche haben. So gelang es den Theoretikern Ken Dill und Hue Sun Chan mit Hilfe von einfachen Computermodellen, die Irrtümer und Unzulänglichkeiten der klassischen Vorstellung von der Proteinfaltung (Levinthal-Paradoxon) zu zeigen und gleichzeitig neue Denkanstöße und Lösungen zu liefern (Groß 1997). Aber auch in der Ökologie werden Simulationen immer häufiger eingesetzt. So trifft man immer öfter auf Simulationsmodelle für Populationsdynamiken sowohl aus dem terrestrischen als auch aus dem aquatischen Bereich. Dabei steht hier die Auswirkung von durch den Menschen verursachter Umweltveränderung (z.B. Umweltbelastung durch steigende Technisierung) im Vordergrund. Bei der Simulation dieser Vorgänge wird häufig auch noch das zugrundeliegende Konzept verändert und optimiert, um eine möglichst realitätsnahe Simulation zu erreichen. So beschäftigen sich eine ganze Reihe von Arbeiten mit der Modellierung von biologischen Abläufen, wie z. B. die Populationsdynamik in strukturierten Landschaften am Beispiel von Laufkäfern (Tischendorf 1995) oder sogar fast ausschließlich mit den Konzepten der den Simulationen zugrundeliegenden Modellierungen (Reichert 1994). Und auch im Bereich der Risikoanalyse von Fremdstoffen in terrestrischen (Degenhard 1988) und aquatischen Ökosystemen (Hommen 1997) kommt die Simulation immer häufiger zum Einsatz.

Momentan wird an der RWTH-Aachen, Lehrstuhl für Ökotoxikologie das Modellökosystem Gras-Blattlaus-Gallmücke im Rahmen einer Dissertation (Weyers in Vorbereitung) untersucht. Dabei soll die Wirkung eines Herbizids (Trifluralin) auf die Subkomponenten ermittelt werden. Ziel dieser vorliegenden Arbeit ist die mathematische Modellierung dieses Modellökosystems, um Hypothesen zur Systemreaktion zu überprüfen. Gleichzeitig sollen Annahmen zu den inter- und intraspezifischen (Populations-)Abläufen getestet werden. Ein Teil der Daten zur Herleitung und Überprüfung der Richtigkeit der Simulation stammen aus der Dissertation von A. Weyers (in Vorbereitung).

2. Praktischer Teil