2. Praktischer Teil

2.1. Das Modellökosystem

Der Simulation lag ein terrestrisches Modellökosystem (Weyers in Vorbereitung) zur Beurteilung der Wirkung von Umweltchemikalien zugrunde. Das System bestand aus Gräsern als Produzenten, Blattläusen als Primär-, räuberischen Gallmücken als Sekundärkonsumenten, Mikroorganismen als Destruenten und Springschwänzen als detritivore Konsumenten. Die Konstruktion des Modellökosystems kann der Abb. 1 entnommen werden.

Für die Simulation des Modellökosystems ist die Nahrungskette ''Gras - Blattlaus - räuberische Gallmücke'' ausgewählt worden. Die Mikroorganismen und Springschwänze wurden nicht simuliert, da sie nur einen geringen Einfluß auf die Nahrungskette haben, und hier das Modell nicht sofort zu komplex gestaltet werden sollte.

Im Weiteren ist mit dem Begriff ''System'' das Modellökosystem in einer solchen Vegetationskammer gemeint.

2.1.1 Physikalische Versuchsbedingungen

Die Versuche fanden im Thermokonstantraum bei 20° statt. Die Beleuchtungsstärke betrug 10.000 lux bei einem Tag/Nachtrhythmus von 16:8 Stunden. Nachts betrug die Temperatur 20°, tagsüber durch die Beleuchtung 22 - 23°. Die Bodenfeuchte wurde auf 40% der maximalen Wasserkapazität eingestellt, was einer Gießwassermenge von 1-2 l pro Woche entsprach.

2.1.2 Pflanzenanzucht

Die Systeme wurden mit gedämpftem, natürlich sandigem Boden befüllt und bis zur Sättigung gewässert. In der folgenden Woche wurden keimende Unkräuter entfernt und anschließend das System durch Auflegen eines Kunststoffgitters in 36 Aussaatfelder von 5x5 cm unterteilt. Die Aussaat der Grassamen erfolgte nach dem Aussaatplan (Abb. 27 im Anhang). Der erste Schnitt der Gräser, in einer Höhe von 5 cm über dem Substrat, wurde durchgeführt, als die Gräser eine Höhe von ca. 10 cm erreicht hatten, anschließend erfolgte ein wöchentlicher Schnitt, ebenfalls jeweils 5 cm über dem Substrat. Vom Grasschnitt wurde das Frisch- und Trockengewicht (bei 60° über Nacht im Trockenschrank) bestimmt und die trockene zerkleinerte Streu in das jeweilige System zurückgeführt.

2.1.3 Besetzen mit Versuchstieren und Chemikalienapplikation

Nach dem letzten Schnitt wurden die Systeme mit jeweils 300 mg Blattläusen (entspricht ca. 4500 Tieren) besetzt. Eine Woche später kamen 180 Collembolen pro System mit einem definierten Alter von 6 Wochen dazu. Die Applikation des Trifluralins erfolgte mittels eines druckluftbetriebenen Graphiksprühers (EFBE Retuschierapparat, Modell "A"). Nach dem Antrocknen des Mittelbelages sind pro System zehn zwei Tage adulte Gallmücken-Weibchen mit dem Exhaustor eingesetzt worden (Weyers in Vorbereitung).

2.1.4 Versuch zur Bestimmung der Wachstumsrate und Kapazität der Blattläuse

Nach der Anzucht der Gräser wurden jeweils 330 mg Blattläuse (entspricht ca. 5000 Tiere) pro System eingesetzt. Die Probenentnahme erfolgte zuerst in zwei- bis dreitägigen, dann in wöchentlichen Intervallen, da gerade zu Beginn des Versuches die Verteilung der Blattläuse kontrolliert werden sollte. Es wurden jeweils vier aneinanderliegende Felder mit je einer Grasart kurz über dem Substrat abgeschnitten. Pro Feld wurden die auf 10 % vom Grasfrischgewicht befindlichen Blattläuse unter dem Binokular ausgezählt und auf das Gesamtgrasfrischgewicht des Feldes hochgerechnet. Um einen erneuten Wuchs des Grases zu vermeiden, wurden die Wurzeln aus den abgeernteten Felder beseitigt. Von den Gräsern wurde das Frisch- und Trockengewicht bestimmt.

2.2 Biologie der Versuchstiere

2.2.1 Die räuberische Gallmücke Aphidoletes aphidimyza

Es gibt weltweit ca 4000 Gallmückenarten, von denen viele zur Ernährung ihrer Larven Pflanzengallen erzeugen. Die räuberische Gallmücke Aphidoletes aphidimyza wurde 1847 erstmalig von Camillo Rondani beschrieben, die morphologischen und biologischen Merkmale dieser Art jedoch erst 100 Jahre später von Roberti und anderen Taxonomen exakt erfaßt. Unter den räuberischen Gallmücken ist Aphidoletes aphidimyza (Rond.) (Insecta, Diptera, Cecidomyiidae) die am weitesten verbreitete Art. Die kleine ca. 2mm lange Mücke ohne stechende Mundwerkzeuge ist ein Nützling, der kommerziell in der Blattlausbekämpfung vor allem in Gewächshäusern eingesetzt wird. Es sind mehr als 60 verschiedene Blattlausarten als geeignete Beutetiere bekannt.

Abb. 2 zeigt den Lebenszyklus von A. aphidimyza:

A. aphidimyza sitzt tagsüber ruhend unter den Blättern von Pflanzen und steigert mit zunehmender Dunkelheit die Aktivität. Dann findet die Paarung und die Eiablage statt. Die ausgewachsenen Tiere sind selbst keine Raubinsekten, sondern ernähren sich von dem Honigtau der Blattläuse. Die Weibchen legen 30-40 Eier (oft sind in der Literatur 100-150 Eier als Extremwerte angegeben) gezielt in die Nähe von Blattlauskolonien. Die Larve schlüpft nach 1-7 Tagen und beginnt auf dem Blatt herumzukriechen, um Blattläuse zu finden. Hat sie Erfolg, dann greift sie die Blattlaus an, indem sie meist an den Gelenkhäuten der Beine zusticht und die Blattlaus aussaugt. Es wird vermutet, daß die Larve ein Gift injiziert, das eine lähmende Wirkung hat (Harris 1973). Eine Eilarve benötigt ca 24 Stunden, um eine Blattlaus auszusaugen, eine Larve kurz vor der Verpuppung nur eine Stunde (Pedersen et al. 1983). Nach 4-10 Tagen ist die Larve bereit zur Verpuppung. In dieser Zeit hat jede Larve mindestens 20 Blattläuse gefressen. Es ist schwierig, eine genaue Angabe zu machen, da die Anzahl der getöteten Blattläuse abhängig ist von ihrer Dichte. Je mehr vorhanden sind, destso mehr werden abgetötet, wobei die Larve nicht alle angestochenen Blattläuse auch wirklich aussaugt. Dieser Aspekt ist für die biologische Schädlingsbekämpfung von Vorteil, weil die Gallmücke umso effektiver ist je mehr Blattläuse vorhanden sind.

Die verpuppungsbereite Larve läßt sich zu Boden fallen, gräbt sich etwa einen Zentimeter tief ein und bildet einen Kokon. 2-3 Wochen später befreit sich die Puppe von dem Kokon und kriecht, noch geschützt durch die Puppenhülle, an die Oberfläche, wo die Imago schlüpft. Die Lebensdauer der Männchen beträgt 2-5 Tage, die der Weibchen 4-8 Tage (Weyers 1994). Sell (1976) stellte fest, daß die Nachkommen eines Weibchens immer nur einem Geschlecht angehören (Monogenie). Im Freiland gehen die Larven Ende September in Diapause und bilden einen Kokon. Die Verpuppung findet erst im Frühjahr statt und ab Mai schlüpfen die Imagines (Harris 1973).

Nach Harris (1973) liegen die idealen Entwicklungsbedingungen für A. aphidimyza bei einer Temperatur zwischen 20 und 25°C und einer hohen Luft- und Bodenfeuchtigkeit. Die Dauer der einzelnen Entwicklungsstadien ist von diesen Parametern abhängig.

2.2.2 Die Getreideblattlaus Rhopalosiphum padi

Blattläuse gehören weltweit zu den wichtigsten Schadinsekten im Getreideanbau. Sie sind sowohl als direkte Schädlinge als auch als Krankheitsüberträger (Virusvektoren) bedeutsam. Die meisten Blattläuse bevorzugen zu den verschiedenen Jahreszeiten unterschiedliche Pflanzen. Sie sind im Sommer oft auf krautigen Pflanzen anzutreffen, während sie im Herbst ihren Winterwirt (Primärwirt, meist Gehölze) aufsuchen. Gleichzeitig ändern sie ihre Vermehrungsweise von ungeschlechtlicher Vermehrung im Sommer zu geschlechtlicher Vermehrung im Herbst. Blattläuse können sich gut an die Umweltbedingungen anpassen und haben ein hohes Vermehrungspotential. Sie benutzen ihren Rüssel, um ihre Mundwerkzeuge (Stechborsten) in das Blatt einzuführen und den Pflanzensaft zu saugen. Die Mehrzahl der an landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturen auftretenden Blattläuse gehört zur Familie der Röhrenblattläuse ( Aphididae). Infolge hoher Anbauintensität von Getreide und dem Einsatz nicht selektiver chemischer Präparate ergab sich eine Reduzierung der natürlichen Feinde und eine Verbesserung der Lebensbedingungen für die Blattläuse. In Mitteleuropa wird das Getreide vor allem von drei Blattlausarten befallen, der nicht wirtswechselnden Großen Getreidelaus ( Macrosiphum avenae (Fabr.)), der wirtswechselnden Traubenkirschen- oder Haferlaus ( Rhopalosiphum padi (L.)) und der ebenfalls wirtswechselnden Bleichen Getreidelaus ( Metopolophium dirhodum (Walk.)).

Die Traubenkirschen- oder Haferlaus Rhopalsiphum padi (L.) (Insecta, Hemiptera, Aphididae) ist eine der häufigsten Blattlausarten in Mitteleuropa und besiedelt verschiedene Getreidearten und Gräser. Sie überwintert im Eistadium an der Gemeinen Traubenkirsche ( Prunus padus) und dem Zwergmandelstrauch ( Prunus nana). Ab Ende März erfolgt der Eischlupf, wobei bereits die ersten Geflügelten vorhanden sind, die dann das Getreide bevorzugt an den unteren vegetativen Teilen besiedeln. R. padi ist sehr flugaktiv und kann größere Entfernungen zurücklegen. Die Sommerform vermehrt sich durch Jungfernzeugung (Parthenogenese). Nach Dubnik (1991) beträgt die Entwicklungsperiode der Larven in Versuchen bei 21°C nur insgesamt 9 Tage, die mittlere Lebensdauer etwa 18 Tage und die Zahl der Nachkommen je Blattlaus 70.

Ab Mitte Oktober legen die Oviparen (eierlegende Weibchen) die Eier auf dem Winterwirt an den Knospen, Astlöchern und anderen Stellen ab. Während eines milden Winters kommen auch parthenogenetisch überwinternde Traubenkirschenläuse vor.

2.3 Testverbindung Trifluralin

2.3.1 Struktur, Eigenschaften

Das Herbizid Trifluralin, 2,6-dinitro-N,N-dipropyl-4-trifluoromethylaniline (IUPAC) (Abb. 3), gehört zur Stoffgruppe der Dinitroaniline. Die Herstellung erfolgt durch Nitrierung von 1-Chlor-4-trifluormethylbenzol und nachfolgende Umsetzung mit Dipropylamin. Es wird unter anderem unter den Handelsnamen Treflan und Elancolan vertrieben. Einige physikalische und chemische Eigenschaften sind in Tab. 1 zusammengestellt.

Abbildung 3: Strukturformel von Trifluralin

Tabelle1: Chemische und physikalische Eigenschaften von Trifluralin (Worthing)
Molare Masse335,3 g/mol
Beschaffenheit kristallin, gelb
Schmelzpunkt 48,5 - 49°C
Dampfdruck 1,38 * 10^-4 mbar bei 25°C
Löslichkeit in Wasser < 1 ppm bei 27°C
Löslichkeit in Xylol 580 g/l bei 27°C

2.3.2 Einsatz, Toxikologie, Verbreitung

Trifluralin ist ein Vorauflauf-Bodenherbizid (pre-emergence), d.h. es wird vor dem Auflaufen der Kulturpflanzen ausgebracht. Eingesetzt wird es in Baumwolle, Erdnüssen, Erbsen, Raps, Sojabohnen, Weizen u.a. und wirkt gegen Gräser und einige Dikotyle. Es ist ein Mitose-Herbizid und hemmt in Chloroplasten die Oxidation von reduziertem Plastochinon. Außerdem hat es eine entkoppelnde Wirkung auf den Elektronentransport, die aber nur bei erhöhten Konzentrationen (10 - 100 µM) zum Tragen kommt (Hock et al. 1995). Daten zur Toxikologie von Trifluralin können der Tab. 2 entnommen werden.

Tabelle 2: Toxikologie von Trifluralin
akute orale LD50 Ratten >10.000 mg/kg
Mäuse >500 mg/kg
Vögel >2.000 mg/kg
LC50 (96 h) Regenbogenforelle 0,01-0,04 mg/l

Die empfohlene Aufwandmenge pro Jahr beträg 1 - 2,5 kg/ha. Trifluralin wird als emulgierbares Konzentrat in Xylol mit 480 g/l Trifluralin und 62,5 g/l Detergentien formuliert.

3. Modellentwicklung